Irgendwo im Münsterland, 5. April 2011, 23:30 Uhr
Die Frau, die bald sterben sollte, ging mit schnellen
Schritten die dunkle Straße entlang. Sie sah den Mann, der ihr folgte, nicht. Das
Geräusch ihrer Pfennigabsätze, welche in regelmäßigen Abständen ein lautes Klacken
verursachten, war das einzige, was die nächtliche Stille durchbrach. Sie ging
schnell, erst die Hauptstraße entlang, dann bog sie in eine Seitenstraße ab und
war schon bald an einer schmalen Straße angelangt. Als sie auf eines der Häuser
zustrebte, beschleunigte der Mann seine Schritte. Nun erste drehte sie sich um,
sah den Mann hinter sich und ging dann aber weiter. Unbewusst beschleunigte sie
ihre Schritte, schlang den Mantel, den sie trug, enger um sich und als sie
hörte, wie der Mann hinter ihr immer näher und näher kam drehte sie sich erneut
um. Da lief der Mann los, auf sie zu und sie stieß einen kurzen Schrei aus und
rennte ebenfalls. Ihre Absätze klackerten nun unregelmäßig über den Asphalt,
doch sie stürzte nicht. Grade, als sie die Einfahrt zu einem Haus, ungefähr in
der Mitte der Straße, erreicht hatte, holte der Mann sie ein, streckte die Hand
nach ihr aus und bekam ihren rechten Ellbogen zu fassen. Sie schrie noch
einmal, vor Schreck, aus Angst, jedoch nur kurz. Dann drehte sie sich um, sah
ihn an. Er hatte erwartet, dass sie etwas sagen würde, doch das tat sie nicht,
sie starrte ihn nur an, ihre Lippen zitterten und ihre Augen huschten hin und
her, aber kein Zeichen, dass sie ihn erkannt hätte war darin. Doch das sah er
nicht. Dafür sah sie den Golfschläger, den er in der behandschuhten linken Hand
hielt. Ihr Atem ging laut als sie versuchte, sich von ihm loszureißen, eine
Absicht, die nicht von der Erfolg gekrönt sein sollte und noch bevor sie einen
zweiten Versuch starten konnte, schlug er ihr den Golfschläger mit aller Kraft
gegen die rechte Schläfe. Sie stöhnte schmerzerfüllt auf und wankte, ging aber
nicht zu Boden. Da ließ er sie los, nahm den Golfschläger in die rechte Hand und
schlug erneut zu. Nun endlich stürzte sie mit einem dumpfen Geräusch zu Boden
und rührte sich nicht. Er stieß sie mit der Fußspitze an, aber erhielt keine
Reaktion. Dennoch wollte er sicher sein, er war nicht so weit gegangen, um dann
zu versagen. Mit beiden Händen hob er den Golfschläger über den Kopf und schlug
noch einmal zu und dann noch einmal und noch einmal, bis Blut und Haare an dem
Golfschläger klebten, man das Gesicht der Toten aber nicht mehr erkennen
konnte. Schwer atmend richtete er sich auf, warf den Golfschläger achtlos neben
sie und verließ dann die Straße, die nur durch das Licht zweier flackernder
Straßenlaternen erhellt wurde. Man musste sehr genau hinsehen, um die Leiche
überhaupt zu bemerken.
Etwa eine halbe Stunde später und einige Straßen weiter
schloss Bernard Becker die Tür zu seinem Einfamilienhaus mit großem Garten auf
und trat in den dunklen Flur. Seit einem Jahr war der Flur immer dunkel, wenn
er nach Hause kam, denn vor einem Jahr hatte seine Frau ihn verlassen und auch
ihre gemeinsame Tochter von sieben Jahren mitgenommen. Die Scheidung war noch
nicht durch, doch Bernard hatte aufgehört um irgendetwas zu kämpfen: Seine Ehe,
seine Tochter, sein Geld… Geld hatte er ja ohnehin keines mehr, deswegen hatte
seine Frau ihn verlassen, weil sie ihn für einen Versager hielt, der seine
Familie nicht ernähren konnte – ein Argument, mit dem sie nicht ganz unrecht
hatte, seit er seinen Job als Bäcker ein Jahr zuvor verloren hatte, da der neu
eröffnete Starbucks von gegenüber die kleine Konditorei in den Ruin getrieben
hatte. Seitdem war es seine Frau gewesen, die durch ihren halbtags-Job bei
Schlecker für den Unterhalt in der Familie gesorgt hatte. Nun jedenfalls waren
sie fort und Benard hatte immer noch keinen neuen Job gefunden, er konnte den
Kredit, den er damals nach der Hochzeit für das Haus aufgenommen hatte, nicht
bezahlen, vermutlich würde er nicht mehr lange hier wohnen können, doch er hatte
nicht vor, klein beizugeben, das Haus war alles, was ihm geblieben war. Dabei
war er sich bewusst, dass bisher ja auch schon alles schief gelaufen war.
Seufzend zog er sich die Schuhe aus, ließ sie im Flur
stehen und ging auf Socken ins Wohnzimmer, wo er das Licht einschaltete und
hinüber zum Kamin ging. Er hatte dort bereits eine jener gelben Plastiktüten
für den Müll bereitgelegt, bevor er heute Abend das Haus verlassen hatte und in
diese Tüte stopfte er nun seine schwarzen, blutbefleckten Handschuhe sowie die
Jacke und die Hose, auf der ebenfalls Blutspritzer waren. Er hatte sich genau
überlegt, wie er die Schlampe töten wollte und nun, wo sie tot war, musste er
nur noch alle Beweise verschwinden lassen – das hatte er bei den
Kriminalsendungen im Fernsehen gesehen. Nachdem alle blutigen Kleidungsstücke
in dem gelben Sack verschwunden waren, stand er eine Weile unschlüssig im
Wohnzimmer, bevor er sich dazu entschloss, heiß zu duschen.
Erst, als er das Gefühl des heißen Wassers, das seinen
nackten Körper hinunterfloss, genoss, wurde ihm bewusst, dass er tatsächlich
einen Menschen getötet hatte. Bisher war er so damit beschäftigt gewesen, Pläne
darüber zu schmieden, die Schlampe zu töten und dann erleichtert zu sein, dass
es vorbei war, dass sie ihm nicht mehr gefährlich werden konnte, dass er gar
nicht darüber nachgedacht hatte, dass er ein Leben ausgelöscht hatte. Er
stellte das Wasser aus und während er sich die Haare trocken rubbelte,
versuchte er, an sie als Menschen zu denken und nicht nur, wie sonst, an sie
als die Schlampe, die sein Leben zu zerstören drohte. Sie hatte schulterlanges,
blondes Haar gehabt, blaue Augen und einen Sohn, der ungefähr so alt sein
dürfte wie seine Tochter. Vielleicht gingen die beiden sogar gemeinsam zur
Schule? Er wusste es nicht, Elternabende waren immer etwas für seine Frau gewesen.
Und wenn er sich auf den Kopf stellte, er könnte nicht einmal sagen, wie die Freundinnen
seiner Tochter hießen. Nachdem er sich fertig abgetrocknet hatte, begab er sich
in die Küche und setzte einen Kaffee auf – an Schlaf war in dieser Nacht wohl
ohnehin nicht zu denken. So saß er da, am Küchentisch, eine Tasse starken
Kaffes vor sich, und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Versuchte, so etwas
wie Würde zu bewahren. Scheiterte. Er hatte sehr genau über das, was er getan
hatte, nachdenken wollen, damit abschließen wollen um dann nie wieder daran
denken zu müssen. Aber seine Gedanken wollten nie lange bei der Schlampe
bleiben, immer wieder wanderten sie zu anderen Dingen, sodass er es gegen vier
Uhr nachts schließlich aufgab, den Fernseher einschaltete und durch die
Programme zappte, bis er irgendwann beim Porno-Kanal hängen blieb.
Es war schon halb zehn, als er am nächsten Morgen
aufschreckte. Er war auf der Couch eingeschlafen, der Fernseher lief noch, doch
er schenkte dem in eindeutiger Weise ineinander verschlungenen Paar, keine
Beachtung und schaltete die Flimmerkiste stattdessen aus. Sodann tapste er
verschlafen zurück in die Küche um sich mehr Kaffee zu machen. Während er auf
dem Küchenstuhl sitzend beobachtete, wie der Kaffee durch den Filter langsam in
die Kanne darunter floss, überlegte er, ob die Leiche wohl schon gefunden
worden war. Soweit er wusste, war die Schlampe verheiratet gewesen, es würde sich
also vermutlich jemand um sie sorgen. Der Gedanke, dass es wesentlich länger
brauchen würde, ehe ihn jemand vermisste – und er war sicher kein so schlechter
Mensch wie sie, oh nein, auch wenn er sie getötet hatte, sie hatte immerhin
sein Leben zerstören wollen! – ließ ihn die Kaffeetasse härter auf den Tisch
aufsetzen als geplant und ein Teil der heißen Flüssigkeit schwappte über und
verbrühte ihm die Hand. „Verdammte Scheiße!“, fluchte er laut und eilte zum
Wasserhahn, um kaltes Wasser über die verbrannte Stelle laufen zu lassen. Es
ging schnell wieder besser und als er den Hahn ausdrehte, hatte er schon keine
Lust mehr auf Kaffee, also ließ er die Tasse stehen und ging zurück ins
Wohnzimmer – er musste ja noch die Beweismittel verschwinden lassen. Diese
befanden sich glücklicherweise schon in einem Plastikbeutel, sodass sie nur
noch entfernt werden mussten. Er zog sich einen Regenmantel über seinen
Jogginganzug, dann noch die Gummistiefel dazu und ging mit dem Beutel in den
Garten. Neben dem Geräteschuppen legte er den Beutel ab, fummelte umständlich
den Schlüssel hervor und schloss auf. Drinnen herrschte ein Chaos
beträchtlichen Ausmaßes, doch das war nichts Neues. Das Licht war schlecht,
denn die Fenster waren lange nicht geputzt worden, doch er wusste ja, wonach er
suchte, sodass die Schaufel rasch gefunden war.
Als er nach draußen trat, sah er sich als erstes um, als
fürchte er, man könne ihn beobachten. Dabei war es ein normaler Mittwochmorgen,
seine Nachbarn waren alle bei der Arbeit und der Bereich zwischen dem
Geräteschuppen und den Kirschlorbeersträuchern war gegen Blicke gut
abgeschirmt. Doch wenn man ihn sähe…! Er sah sich sicherheitshalber noch ein
paar Mal um, dann begann er zu graben. Der erste halbe Meter ging recht gut,
denn in den letzten Tagen hatte es oft geregnet, doch dann wurde es schwerer. Es
war erst Anfang April und der Boden war noch gefroren. So war es ein hartes
Stück Arbeit und trotz der Kälte an diesem nass-kalten Tag war ihm ziemlich
warm. Schließlich gab er sich zufrieden, das Loch war nicht so tief, wie er es
beabsichtigt hatte, aber es schien unmöglich, noch tiefer zu graben, bei diesen
Witterungsverhältnissen. Er nahm den Sack mit den blutbeschmierten
Kleidungsstücken und warf ihn in die Tiefe, dann schaufelte er das Loch wieder
zu, stellte die Schaufel zurück und ging zurück ins Haus, sich die Erde von den
Fingern zu waschen.
Es war schon ein Uhr und ihm fiel ein, dass er noch gar
nichts gegessen hatte. Ein Teil von ihm hielt sich selbst für pietätlos. Aber
er musste ja was essen und überhaupt… es war ja schon einmal jemand gestorben.
Doch nicht durch seine Schuld, er hatte doch nicht gewollt, dass er starb und
er hatte auch nicht gewollt, dass sie starb aber die Schlampe hatte es
herausgefordert und er hatte sich nur gewehrt. Seine Schuld war das nicht
gewesen! Er schüttelte heftig den Kopf um den Gedanken loszuwerden und öffnete
den Kühlschrank, in dem einige Fertigmischungen und viel Bier standen. Er
konnte selbst nicht kochen, das hatte seine Frau immer getan und nun, da sie
weg war, aß er entweder auswärts oder wärmte sich Fertiggerichte in der
Mikrowelle auf. Blind wählte er etwas aus, riss die Verpackung herunter und
warf einen Blick auf den undefinierbar matschigen Inhalt, der ihn auf bizarre
Art und Weise an das zerschlagene Gesicht der Schlampe erinnerte, nachdem er
mit ihr fertig gewesen war. Er packte das Essen in raschen Bewegungen in die
Mikrowelle, schaltete sie ein und zog sich den Mantel und die Schuhe wieder
aus, wobei er einige unästhetische Verrenkungen anstellen musste, doch als er
schließlich fertig war, piepte die Mikrowelle und er ging hinüber, sein Essen
herauszunehmen um sich dann damit vor den Fernseher zu setzen. Er suchte einen
Nachrichtensender, denn er wollte sehen, ob man die Leiche gefunden hatte. Doch
zunächst ging es um internationale Konflikte und notleidende Banken. Dann aber
hatte er das Gefühl, ihm bliebe für eine Sekunde das Herz stehen. Da kam sie
doch tatsächlich, es war eben jene Nachbarschaft, jene Straße und dort, unter einem
Tuch verborgen die Leiche. Während die Kamera über all‘ das glitt, erklang aus
dem Hintergrund die neutrale Stimme der Nachrichtensprecherin, welche die Tat
ein „schreckliches Verbrechen“ nannte – als hätte sie Ahnung, sie wusste nicht,
dass die Schlampe es verdient hatte – und berichtete, dass sie am Morgen von ihrem
Sohn gefunden worden war, als dieser hatte zur Schule gehen wollen. Neben der
„grausam entstellten Leiche“ – noch so eine Übertreibung – habe man einen
Golfschläger gefunden. Vom Mörder fehle bisher jede Spur, sachdienliche
Hinweise nehme jede Polizeidienststelle entgegen. Er atmete erleichtert aus
während die Nachrichtensprecherin zur nächsten Meldung überging. Bernard musste
ein paar Mal tief durchatmen, so erleichtert war er. Sie wussten von nichts und
sie würden nichts finden, er war sehr vorsichtig gewesen.
Während er sich langsam den ersten Löffel in den Mund
steckte, dachte er darüber nach. Den Golfschläger hatte er vor einigen Monaten
in einem großen Warenhaus erstanden, da war es noch Winter gewesen und niemand
hatte sich gewundert, dass er zu dieser Jahreszeit so dick angezogen gewesen
war und auch seine Handschuhe nicht ausgezogen hatte. Seitdem hatte er ihn in
der Plastiktüte, in der ihm die Verkäuferin den Schläger überreicht hatte,
aufbewahrt und erst gestern wieder herausgenommen und auch da hatte er
Handschuhe getragen. Und eine Verbindung zu ihm könnten sie schon gar nicht
erstellen, niemand wusste, dass er das damals gewesen war, in der Bank.
Er seufzte und fühlte sich gleich besser. Keine Spuren,
keine Beweise… er war aus dem Schneider! Er schaltete den Fernseher aus und
schloss für einige Sekunden die Augen. Dann erst wurde ihm bewusst, wie lange er
nicht mehr richtig geschlafen hatte. Er ging die Treppe hinauf ins
Schlafzimmer, zog sich den Jogginganzug aus und warf sich nur in der
Boxershorts mitten auf das Doppelbett. Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis
er eingeschlafen war und er war erstaunt, festzustellen, dass keine Leichen
seinen Schlaf heimsuchten. Dafür weckte ihn gegen Abend ein lautes Hämmern an
der Tür. Er war noch nicht richtig wach und hatte noch nicht identifiziert, wo
das Geräusch herkam, als er plötzlich senkrecht im Bett saß denn er hörte
plötzlich das Getrappel mehrerer Menschen unten in seinem Flur. Aus dem Bett
schaffte er es aber fürs erste nicht, da stürmten – im wahrsten Sinne des
Wortes stürmten – einige Männer auch schon sein Schlafzimmer, umringten sein
Bett und zwei bedrohten ihn mit einer Pistole.
„Was?“, entfuhr es ihm.
Die beiden anderen Männer, welche keine Pistolen bei sich
trugen, dafür auch nicht in Polizeiuniformen sondern schwarze Anzüge gekleidet
waren, standen ihm direkt gegenüber, die beiden anderen rechts und links von
ihm. Er saß in seiner Boxershorts im Bett und starrte verblüfft von einem zum
anderen. „Herr Becker?“, fragte einer der beiden Männer im Anzug, der rechte.
Er war groß, nicht dick aber doch stattlich und hatte eine große, fleischige
Nase und dazu buschige Augenbrauen unter denen ihn braune Augen aufmerksam
musterten. Bernard nickte, immer noch verdutzt. „In der vergangenen Nacht wurde
eine Frau getötet und es gibt Zeugen, die sie mit dieser Tat in Verbindung
bringen.“, erklärte der Polizist. „Das ist doch lächerlich!“, wandte Bernard
sofort ein. Das Lächeln des Polizisten wirkte nicht ganz aufrichtig, als er
sagte:„Bestimmt. Aber um jeden Zweifel auszuräumen darf ich Sie bitten, uns auf
Polizeipräsidium zu begleiten?“ Es war keine Frage aber Bernard hätte trotzdem
gerne abgelehnt. Doch das hätte ihn nur noch schuldiger aussehen lassen. So
sagte er stattdessen: „Darf ich mir denn wenigstens noch etwas anziehen?“ „Natürlich.“
Aber keiner machte Anstalten, den Raum zu verlassen, sodass er sich grummelnd
erhob, den Schrank öffnete und wahllos nach einer Jeans und einem Hemd griff,
sie sich überzog. „Okay.“, sagte er dann und die Polizisten eskortierten ihn
die Treppe herunter, wo sie kurz innehielten damit er die Schuhe anziehen
konnte, dann ging es weiter zu den beiden Autos, auf die die Polizisten sich aufteilten
und ihn auf den Rücksitz des vordersten Autos bugsierten.
Die ganze Fahrt über drehten sich seine Gedanken nur
darum, wie die Polizei nur auf ihn kommen konnte. Er war doch so vorsichtig
gewesen. Egal, wie er es drehte und wendete, er konnte sich einfach nicht
erklären, was die Polizei auf seine Spur gebracht hatte. Der Golfschläger
konnte es nicht gewesen sein… Und der Zwischenfall in der Bank? Nein, das war
doch unmöglich… zugegebenermaßen war es nicht grade eine seiner besseren Ideen
gewesen die Bank auszurauben, aber er hatte sich einfach nicht zu helfen gewusst,
nachdem seine Frau ihn verlassen hatte und er gedacht hatte, wenn er nur wieder
Geld hätte nähme sie ihn schon zurück.
Doch der Banküberfall war schief gelaufen, auf jede Art
und Weise, auf die er nur schief laufen konnte. Er hatte sich einen Strumpf übers
Gesicht gezogen, war in die Bank gelaufen und hatte mit einer Pistole, welche
er bei einem Schützenfest entwendet hatte, die Frau am Schalter bedroht. Er
hatte sie angeschrien, ihr alles Geld zu geben und sie hatte gehorcht. Und dann
hatten Menschen hinter ihm geschrien und ein alter Mann war zusammengebrochen,
einfach so. Später hatte er erfahren, dass er einen Herzinfarkt gehabt hatte,
ausgelöst durch den Schock, und dass er gestorben war. Er hatte alles Geld, was
die Frau bis dahin zusammengehabt hatte, gepackt und war geflohen. Doch was
hätte er tun sollen, er brauchte das Geld und der Tod des Mannes war
schließlich nicht seine Schuld, sicher hatte er schon vorher ein schwaches Herz
oder ähnliches gehabt! Aber wie hatte man ihn mit dieser Geschichte in
Verbindung bringen sollen? Den einzigen Beweis, den es gab, hatte er
vernichtet, wortwörtlich vernichtet.
Sie waren angekommen, die Polizisten führten ihn vom Auto
in ein Verhörzimmer, dort saß er jedoch erst einmal alleine und überlegt immer
noch, wie um alles in der Welt er hatte gefunden werden können. Ein paar Tage
nach dem Überfall war er im Supermarkt einkaufen gewesen und während er bei
Aldi an der Kasse stand, ging ihm auf, dass die Frau, hinter ihm, die Frau vom
Schalter in der Bank war. Sein Puls ging in die Höhe doch er versuchte
verzweifelt, ruhig zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen, denn sie
schien ihn nicht erkannt zu haben und er wollte, dass das so blieb. Dann war es
an ihm zu bezahlen und als er der Frau zwei zwanzig Euroscheine überreichte,
diese sie turnusmäßig auf Falschgeld überprüfte, hätte er nicht entsetzter sein
können, als sie ihm sagte es sei Falschgeld. „Was? Aber sie sind doch direkt
von der Bank!“, protestierte er und in diesem Augenblick ging ihm auf, dass er
das nicht hätte sagen dürfen, denn die Frau, die ihm diese Geldscheine
überreicht hatte, stand gleich hinter ihm und sie musste es wissen.
Auf dem Aldi-Parkplatz hatte sie ihn abgepasst. „Ich
weiß, wer Sie sind! Und ich weiß, was Sie getan haben!“, hatte sie gezischt und
er hatte keine Möglichkeit oder Notwendigkeit gesehen, es zu leugnen. „Was
wollen Sie?“, hatte er stattdessen gesagt. „Ich will, dass Sie sich stellen,
für das, was Sie getan haben! Sie haben versucht die Bank auszurauben und Sie
haben jemanden getötet!“ „Sie haben keine Beweise.“, hatte er versucht dagegen
zu halten, obwohl er bereits wusste, dass es hoffnungslos war. Ihre
schonungslosen Worte brachten ihn dazu, sich wie einen Verbrecher zu fühlen und
das war er nicht, er war nur ein Opfer der Gesellschaft. „Das Falschgeld.“,
hatte sie geflötet. „Was soll das denn beweisen?“, hatte er wütend geantwortet,
aber sie hatte nur gelacht. Da war ihm klar geworden, dass er die Schlampe
töten musste, wenn er nicht wollte, dass sie sein Leben zerstörte. Immerhin
hatte sie, obwohl sie einen sicheren Job in der Bank hatte, Geldwäsche
betrieben, wie sonst wäre sie an das Falschgeld gekommen? Sie war ein
schlechter Mensch und er hatte bloß Pech, das war alles. Aber wer hätte davon
wissen sollen?
Die Antwort auf diese Frage sollte ebenso überraschend
wie schockierend sein. Die Tür des Vernehmungsraumes öffnete sich und hereinkam
– die Schlampe. Bernards Gesicht wurde abwechselnd heiß und kalt, sein Puls
setzte erst ganz aus nur um dann mit dreifacher Geschwindigkeit seinen Rhythmus
wieder aufzunehmen. „Du?!“, ächzte er. Sie hatte nur dagestanden und nichts
gesagt, leise vor sich hin gelächelt und ihn abwartend angesehen. „Aber das ist
nicht möglich!“, keuchte er, „Du bist tot!“ Er war aufgestanden und rückwärts
von ihr weggegangen und hatte dabei wie wild mit dem rechten Zeigefinger in der
Luft herumgefuchtelt. „Tot! Ja, du bist tot, ich habe dich umgebracht.“ Die ganze
Spannung löste sich von ihr, als sie diese Worte vernahm. „Nein.“, sagte sie
dann, „Nicht mich hast du umgebracht, sondern meine Zwillingsschwester.“
Er hielt in seinen Bewegungen inne, starrte sie an als
glaube er immer noch, einen Geist vor sich zu haben. „Nein.“, hauchte er dann.
„Ich habe gesagt, wenn du nicht zur Polizei gehst tue ich es. Und ich bereue,
es so spät getan zu haben.“, sagte sie leise, drehte sich dann um und verließ
den Raum. Das Geräusch ihrer Pfennigabsätze, welche in regelmäßigen Abständen
ein lautes Klacken verursachten, war das einzige, das die atemlose Stille
durchbrach. Erst, als die Tür hinter ihr zugefallen war, fasste er sich wieder.
Diese Schlampe! Sie hatte ihn hereingelegt! Sie hatte ihm eine Falle gestellt
und nun war sie Schuld, dass sein Leben ruiniert war. „Du Schlampe!“, brüllte
er ihr hinterher, „Du verdammte Schlampe!“
Einige Polizisten mussten hereinkommen, ihn auf den Stuhl
drücken und ihm Handschellen anlegen, bevor die Vernehmung beginnen konnte.